Ü55
Neues Wohnen für Alte
Nicht nur in Freiburg

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  1. Einführung

  2. Was finden wir bereits in Freiburg vor

  3. Was in Freiburg fehlt

  4. Voraussetzungen – Vergabekriterien und Merkmale

  5. Wohnen im Alter – gemeinsam leben

1. Einführung

Untersucht man die Vergabe- und Baupolitik der Stadt Freiburg in Hinblick auf die Berücksichtigung von Belangen von älteren Mitbürger*innen, so sind hierzu bislang wenig Bemühungen erkennbar. Es gibt allerdings eine von Freiburg mitfinanzierteStudie, die besondere Bedarfe und soziale Planungen für Ältere feststellte.1 2

Ziel ist die Sicherstellung der Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in allen Lebensbereichen.

Die Bevölkerungsgruppe 65+ wird in Freiburg von heute 16,7% auf voraussichtlich 19,55% bis zum Jahr 2030 anwachsen; dasbedeutet, dass in etwa 10 Jahren über 45.000 Menschen in der Stadt leben werden, die dieser Altersgruppe zuzurechnen sind.

Laut FIFAS-Studie sind in dieser Gruppe vor allem Alleinstehende oder Paare ohne klassische familiäre Anbindung, abermit steigender Lebenserwartung, zu finden, die auch im hohen Alter autonom leben wollen.

Es kommen also auf die Stadt verstärkt gesellschaftliche Anforderungen zu, die ihren Niederschlag auch in den baulichen Herausforderungen wieder finden müssen. Zusätzlich muss als Ergebnis gewährleistet sein, dass spätere bauliche Nachbesserungen oder gar ein Umzug im hohen Alter in zunehmendem Maße überflüssig werden. Im Gegenzug spart es Kosten in vielen Bereichen.

2. Was finden wir in Freiburg bereits vor

Überprüft man Wohnangebote für Menschen über 65 in Freiburg, so findet man oft die Bezeichnung „betreutes Wohnen“. Nurwenige Angebote fangen eine drohende Altersarmut auf.

Bei den meisten städtischen Trägern sind die meisten auf den freien Markt verfügbar. Andere soziale Kriterien als der Wohnberechtigungsschein (WBS) sind nicht vorgesehen.

(Pflegeheime und -plätze fallen unter andere Bedingungen und sind daher nicht berücksichtigt.)

Singuläre Projekte für bestimmte Gruppen, wie ältere Frauen, Menschen mit Handicap gibt es ebenfalls, aber kaum etwas, was speziell von Seiten der Stadt unterstützt wird.

 Andere Bundesländer setzten hier Zeichen und berücksichtigen bei der Vergabe darüber hinaus auch demographische Faktoren oder die Qualität des Nutzungskonzeptes.

3. Was in Freiburg fehlt

Neue Wohnformen werden gewünscht. Daneben besteht erheblicher Bedarf an barrierefreiem Wohnen, der aber nur ingeringem Maße gedeckt ist.5 In Freiburg ist der Teil derjenigen Älteren, die sich Gedanken über und um das Alter gemacht habenund die sich eine Wohnversorgung in wohngruppenähnlichen Einrichtungen vorstellen können, höher als in vergleichbaren Städten.3

In der soziologischen, wie politischen Betrachtung hat Subsidiarität Vorrang, um auf dem Weg der sozialen und gemeinschaftlichen Leistungen eine direkte Förderung von örtlichen Selbsthilfegruppen und -initiativen anzustreben. So ist es in Bezug auf ‚Altersgerechtes Bauen und Wohnen‘ bzw. Mehrgenerationenumfeld möglich, dass eine Pflege in den eigenen vier Wänden die bessere Wahl ist. So muss bei der Ausweisung neuer Wohnbaugebiete neben Kindergärten als besondere Gruppe auch auch die Altersgruppe ‚Ü55‘4 berücksichtigt werden.

In den baulandpolitischen Grundsätzen für die Stadt Freiburg5 wie auch in den Vergabekriterien für neue Wohngebiete kommen solche Überlegungen nicht vor. In diesem Kontext ist daher zu ergänzen:

  • Ausweisung von 30% der neuen Flächen für Senioren/Altenwohnprojekte Projekte Ü 55.
  • mögliche Wohnformen: Seniorenwohnanlage, Häuser (z.B. ab 12 bis 15 Wohnungen pro Einheit), alternative Wohnprojekte, klassische Single- oder Paarwohnungen, weniger gewünscht sind
  • Dies kann auch für pflegende Angehörige unter 65 gelten, aber auch für Rollstuhlfahrer*innen, Behinderte (z.B. imAlter zwischen 55 und 65 Jahren). Kontrolle durch das Amt für Wohnungswesen analog zu den Vorschriften des 15 LWoFG.
  • Diese Wohnungen können als Singlewohnungen, als klassische WG oder als Wohngruppe(n) mit separaten Appartements gestaltet werden. Es sind in einem neuen Quartier auch ganze Häuser planbar, je nach Quartierslage evtl. auch mit gewerblicher oder kommerzieller Nutzung im Erdgeschoss

4. Voraussetzungen – Vergabekriterien und Merkmale

Grundlage für einen positiven Vergabebescheid ist ein schlüssiges Konzept.

4.1 Das wichtigste Kriterium:
Die Bewerber*innen auf ein Grundstück oder eine Wohnung sind keine Investoren, sondern bauen und bewohnen diese/s selbst. Dies trifft besonders für Baugruppen, Mietshäusersyndikatsprojekte und auch Genossenschaften

In Mietverträgen ist zum Beispiel für die Einhaltung der sozialen Förderung nach §15 LWoFG die Vergabe nur anPersonen unter Einhaltung einer maßgeblichen Einkommensgrenze Entsprechend könnten für altersgerechtesWohnen folgende Kriterien für eine erweiterte soziale Förderung in Betracht kommen:

  • der/die Bewerber*in oder eine Bewerbergruppe das Objekt selbst bewohnen will und das Mindestalter erreicht wird.
  • ein*e Bewerber*in für eine Einzelwohnung oder einer Einheit (bis zu drei Wohneinheiten) ist mindestens 65Jahre
  • jede*r Bewerber*in für eine Einzelwohnung oder einer Einheit (bis zu drei Wohneinheiten), mindestens 70 % einer Bewerber*innengruppe, müssen mindestens 5 Jahre Bürger*innen der Stadt Freiburg gewesen sein.
  • die jeweilige Wohnung Mindestkriterien für ältere mit Handicap erfüllt werden wie Barrierefreiheit,
    Rollstuhl-gerechter Zugang und weitere Merkmale, s. Punkt 5.3.
  • ein Fürsorge- Pflegekonzept erstellt ist, auch im Hinblick auf Alzheimer-Erkrankungen und Demenz.6

4.3 Sollte man sich für eine Bepunktung entscheiden, so sind die oben genannten Kriterien ebenfalls anzuwenden.
Es gäbe auch Zusatzpunkte für über die 50% hinausgehende soziale Förderung (ab 3 Wohneinheiten), zum Beispiel Punktefür 60% oder sogar 70% sozialer Förderung. 100 % soziale Förderung werden aus Erfahrungen, wie die, die z.B. bei der Vergabe Kronenmühlebach gemacht wurden, nicht unterstützt.

5. Merkmale für die zu bauenden Objekte Quartiere

5.1 Wohnungsausstattung

  • Mindestgrößen von 45 bzw. 60 m² bei 2 Personen, bei Clusterwohnungen 30 bzw. 50 m², keine
  • Bauen nach DIN-Norm 10024 und DIN-Norm 10025. Dies gilt besonders für Zugänge und Flure, die Rollator- und rollstuhlgerechte Größen aufweisen: Erweiterung der bekannten Bedeutung von
  • Die Zugänge zu Nasszellen und WCs sollten Schiebetüren sein, versehen mit notwendigen
  • Die Nasszelle beinhaltet mindestens eine barrierefreie Duschecke mit bodengleichem Abfluss, nur auf WunschBadewanne nach DIN-Norm.
  • Toilettenraum mindestens mit Bidet
  • Höhenverstellbares
  • Entsprechende Verkabelung und Verlegung von Elektrik, IT-Anschlüssen und Sanitäranlagen (eigener Notruf).

5.2 Wohnungsanlage

Die Planungsrechtlichen Vorgaben für alten und Pflegeheime sind um Regelungen bezüglich Parkraums für Bewohner*innen,Mitarbeiter*innen, Besucher*innen und Zulieferer für alle Arten von Seniorenfahrzeugen zu erweitern. Dazu zählen neben PKWauch Rollatoren, (e)-bikes, (e)-Rollstühle etc. Da wir einen Zeitraum ab Ü55 bis Pflegeheim betrachten, also durchaus +/- 30 Jahre, liegen hier andere Kriterien vor. Auch sollten Gemeinschaftsräume dazu dienen, die Häuser für und in das jeweilige Quartier zu öffnen, Quartiersveranstaltungen für alle zu ermöglichen.

  • Zugänge, Flure und Freisitze sollten Rollatoren– und rollstuhlgerechte Größen aufweisen
  • Aufzug ab 2 Geschosshöhen.
  • Fahrstühle müssen eine Mindestgröße auch zum Transport von Lasten und Pflegebetten
  • Die Mindestbelegung in einer Quartiersgarage kann daher sehr gering Hier sollte aber an die größereEinstiegsfläche bei Senioren-PKW gedacht werden. Eine Anfahrmöglichkeit für Kleinbusse, E- Mobile, mussgewährleistet sein.
  • Parkmöglichkeiten auch für ambulantes Pflegepersonal im Bereich der Wohneinheit
  • Wohnumfeld: „Fussläufigkeit bedeutet Lebensqualität“7
  • Grünflächen auf dem Grundstück oder in unmittelbarer Nähe sind
  • Ein Quartiersladen, ein Café oder ein Pflegestützpunkt im Erdgeschoss des jeweiligen Objekts bringt größeres soziales Miteinander.
  • Einkaufsmöglichkeiten sollten zumindest fußläufig erreichbar sein, denn Fußläufigkeit ist Lebensqualität.
  • Die ÖPNVAnbindungsolltenichtweiterals250Meterentfernt
  • Ärztliche Versorgung
  • Proktologe/in

6. Wohnen im Alter – gemeinsam leben

Unbestrittener Vorteil des gemeinsamen Wohnens im Alter – vor allem in der Form einer Wahlverwandtschaft und Wahlfamilie – ist es, dass damit eine Alterseinsamkeit eher unwahrscheinlich ist und auch die Gesundheit im höheren Alter wesentlich unterstützt wird. Anderen Altersproblemen wie Verarmung, Abwanderung und Altersgentrifizierung wird ebenfallsentgegengewirkt.

Zusätzliche Herausforderungen bedeuten hierbei Pflegeplanung, der Umgang mit Demenz und der Altersverwirrtheit.

Je eher eine Gruppe die für sie gemäße Form des Zusammenlebens gefunden hat, desto besser kann sie ihre gruppeneigenen Stärken entwickeln und damit ist der/die Einzelne in ein Miteinander eingebunden, welches sich positiv auf Gesundheit, seelisches Befinden und soziale Struktur auswirken kann. Und damit natürlich auch für Staat und Kommune(n) eineKostenersparnis bedeutet.

Politisch heißt das: Die baulandpolitischen Grundsätze der Stadt Freiburg werden um die Belange von Menschen über 55 erweitert und somit abgesichert.

Im Namen des Projektes Birnbaum 

Bernd Obrecht
Anne Reyers

1Blinkert/FIFAS, Generation 55plus – Lebensqualität und Zukunftsplanung. Freiburg 2016
2GR-Drucksache G 18-254
3Prof. Dr. Dietmar Eberle, Professor für Architektur und Entwerfen, ETH Zürich, in einem Interview vom 6.1.2015
4nach Blinkert/FIFAS, a.a.O.
5Baulandpolitische Grundsätze, Stand Juni 2015: hier wird nur die stufenlose Erreichbarkeit berücksichtigt
6Konzeptvergabekrititerien sind hier analog zu denen zu sehen, die es für junge Familien und hochgradig Behinderte gibt.
7Prof. Dr. Dietmar Eberle, Professor für Architektur und Entwerfen, ETH Zürich, in einem Interview vom 6.1.2015